Die Anlaufstelle gegen sexuellen Missbrauch an Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen leistet wertvolle Arbeit. Obwohl sexueller Missbrauch noch immer ein Tabuthema ist, drängen zunehmend Berichte über schlimmste Missbrauchserfahrungen von Kindern und Jugendlichen an die Öffentlichkeit.
Die dramatischen Fälle von verschwundenen, missbrauchten und getöteten Kindern lösen große Betroffenheit aus und stehen gleichzeitig unglaublich vielen stillen Schicksalen gegenüber. Unterstützung und fachliche Beratung finden Kinder und Jugendliche bei Elvira Willy-Schäfer und Aaron Geißelhardt von der Anlaufstelle gegen sexuellen Missbrauch an Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Seit 2005 gibt es im Neckar-Odenwald-Kreis diese Anlaufstelle. Die Fachstelle ist beim Caritasverband für den NeckarOdenwald-Kreis mit ihrem spezifischen Beratungs- und Präventionsangebot angebunden. Wenn die Medien wieder über einen aktuellen Fall berichtet haben, fragen sich Eltern wie sie sie schützen können? Wir lernen unseren Kindern zwar: „Geh nicht mit Fremden mit!“.Tatsache ist jedoch, dass sexueller Missbrauch vorwiegend nicht durch Fremde passiert. Er findet fast immer im persönlichen Umfeld des Kindes – auch in der Familie statt – lange Zeit ohne, dass jemand etwas bemerkt.
Aber warum sagen viele betroffene Kinder lange Zeit nichts? Drohungen und Abhängigkeiten durch die Täter – überwiegend sind es Männer und männliche Jugendliche – bewirken einen massiven Geheimhaltungsdruck: „Das ist unser Geheimnis“, „Wenn du etwas erzählst, dann passiert ...“. Scham- und Schuldgefühle sowie die Angst, es könnte ihnen nicht geglaubt werden, machen es Kindern zusätzlich schwer, sich anzuvertrauen. Wenn Kinder dennoch versuchen, sich Hilfe zu holen, brauchen sie mehrere Anläufe bis sie jemanden finden, der sie versteht und ihnen glaubt.
Hier setzt die Anlaufstelle gegen sexuellen Missbrauch an Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen an. Neben Fachkräften verschiedenster Bereiche wenden sich vor allem betroffene Kinder und Jugendliche, Eltern und Angehörige an die Anlaufstelle. Angefragt wird insbesondere: nach sexuellem Missbrauch; bei Vermutung von sexuellem Missbrauch; bei Doktorspielen und sexualisiertem Verhalten (sexuelle Grenzverletzungen, Sexting). An erster Stelle stehen für die Mitarbeiter Schutz und Stabilisierung des betroffenen Kindes. Bei akuten Krisen bietet die Beratungsstelle zeitnahe Erstgespräche an und unterstützt gegebenenfalls den Kontakt zu Jugendamt, Polizei und weiteren Stellen.
Die Arbeit von Elvira Willy-Schäfer und Aaron Geißelhardt beginnt meist, wenn schon etwas passiert ist. Gerade aus diesem Grund setzen sie sich für die Prävention von sexuellem Missbrauch im Landkreis ein. Ziel ist es, möglichst vielen Kindern und Jugendlichen altersgemäße Präventionsangebote anbieten zu können, um ihr Wissen und ihre Kompetenz zu steigern, sicher die Welt entdecken zu können. Aber – Kinder können sich nicht alleine schützen, und Wissen bedeutet Schutz! Sie brauchen sichere Orte und erwachsene Bezugs- und Kontaktpersonen, denen sie sich gegebenenfalls anvertrauen können. Daher ist es wichtig, Eltern und Fachkräfte für die Thematik zu sensibilisieren, über Täterstrategien aufzuklären und Netzwerke auszubauen.
Info: Fachkräfte und Eltern können sich für Präventionsangebote in ihren Kindergärten und Schulen einsetzen. Sie können sich direkt bei der Anlaufstelle gegen sexuellen Missbrauch beim Caritasverband informieren: in Mosbach unter Tel. 06261 9201-22, in Buchen, Tel. 06281 3255-14, sowie zudem auch im Internet.
AUSGEWÄHLTE PROJEKTE DER ANLAUFSTELLE GEGEN SEXUELLEN MISSBRAUCH AN KINDERN
„Starke-Kinder-Kiste“:
Nicht selten beginnt sexueller Missbrauch schon im Vorschulalter. Deshalb müssen Prävention und Ich-Stärkung frühzeitig beginnen. Die „Starke-Kinder-Kiste“ ist ein Präventionsprojekt gegen sexuellen Missbrauch für Kita-Kinder. Bundesweit setzen bereits über 580 Kitas das Programm um. Die Anlaufstelle gegen sexuellen Missbrauch sowie der Lionsclub Elz-Neckar wollen das Projekt auch im Neckar-Odenwald-Kreis weiter voranbringen. Der Lionsclub hat 2021 bereits zwei Kisten gesponsort. Aufgrund dieses Engagements wurde den Lions in diesem Jahr eine dritte Kiste von der Kinderschutzstiftung Hänsel & Gretel übergeben. Somit sind jetzt drei Kisten für derzeit acht Kindergärten im Umlauf, die jährlich das Präventionsprojekt umsetzen. Die Anlaufstelle gegen sexuellen Missbrauch übernimmt die fachliche Begleitung des Projekts und die Schulung der Erzieherinnen.
Projekt „Trau Dich“:
„Trau Dich“ ist ein Programm, das Mädchen und Jungen im Alter zwischen acht und zwölf Jahren zum Schutz vor sexuellem Missbrauch stärken und sensibilisieren möchte. Es wird seitdem regelmäßig an Schulen im Neckar-Odenwald-Kreis durchgeführt. Die Kinder werden anhand altersgerechter Materialien mit den Präventionsprinzipien vertraut gemacht. Im Notfall sollen sie sich trauen können, bei einer erwachsenen Person Hilfe zu holen. Damit Kinder im Neckar-Odenwald-Kreis gestärkt werden können, nehmen sie an „Trau-Dich“-Seminaren in ihren Schulen teil. Die Seminare werden von geschulten Personen durchgeführt. Das können Referentinnen des Caritasverbands oder Schulsozialarbebeiter und Lehrer oder Lehrerinnen der eigenen Schule sein. Seit 2014
haben rund 150 Fachkräfte an der zweitägigen Fortbildung teilgenommen. Das Projekt „Trau Dich“ wird durch die Stiftergemeinschaft der Sparkasse Neckartal-Odenwald, den Jugendfonds des Landratsamts, die Sammelmittel der Erzdiözese Freiburg sowie durch die
Fördervereine der Schulen oder die Schulträger gefördert.
Online-Fachtagung „Sexualisierte Gewalt, sexuell grenzverletzendes Verhalten durch Kinder und Jugendliche“
Jugendliche sind in den letzten Jahren als Opfer, aber auch als Täter stärker in den Blick der Öffentlichkeit gerückt. Mittlerweile wird vermutet, dass Jugendliche häufiger sexuelle Gewalt durch andere Jugendliche erleben als durch Erwachsene. Die Fachkräfte der Jugendhilfe, aus dem Schulsystem und anderen Bereichen sind besonders gefragt, Haltungen zu sexuellen Grenzverletzungen bis hin zu sexuellen Übergriffen zu entwickeln, um diese zu erkennen und Kinder und Jugendliche zu schützen. Die Anlaufstelle hat den stellvertretenden Leiter des Zentrums für Kriminologie und Polizeiforschung sowie approbierten Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten Steffen Theel als Referenten für den Fachtag gewinnen können. Der Referent führte die 80 Fachkräfte aus verschiedenen Bereichen wie Beratungsstellen, Jugendamt, Schulen und Kindergärten durch einen spannenden und informativen Tag.
„Projekt Heartbeat – Herzklopfen: Beziehungen ohne Gewalt“
33 Prozent der Mädchen und 16 Prozent der Jungen sind von sexueller Gewalt durch den Freund oder die Freundin betroffen. Am 8. März werden „Pfunzkerle Tübingen e.V.“ (Fachstelle für Jungen- und Männerarbeit) „Heartbeat“ in einer Fortbildungsveranstaltung vorstellen. Ziel dieses Präventionsprojekts ist es, mit Jugendlichen im Alter von 14 bis 19 Jahren gemeinsam die Bedeutung von „Respekt“ in Liebesbeziehungen zu erarbeiten, Gewaltaspekte zu erkennen, Konfliktlösungen einzuüben und sie zu ermutigen, für sich und andere Hilfe zu holen. Die teilnehmenden Fachkräfte aus Schule und Jugendhilfe werden befähigt, „Heartbeat“-Workshops selbständig durchzuführen. Der Verein Jugendhilfe e. V. hat seine Förderung für das Präventionsprojekt mit einem Zuschuss zugesagt. Es sind noch Plätze frei.